Mein Podcast: DEBATTE ZU DRITT
In diesem Podcast diskutiere ich über grundsätzliche Fragen aus Politik und Gesellschaft – jeweils mit einer Frau und einem Mann. Jeden Monat schalte ich zwei neue Debatten auf. Diese Gespräche führe ich mit Personen des öffentlichen Lebens, die selbst im Thema tätig sind. Ihre Perspektiven sind persönlich, führen über das Tagesgeschehen hinaus und öffnen einen weiteren Horizont.
Das Thema meiner neusten Debatte ist:
Ukraine: Wird die westliche Unterstützung brüchig?
Mit Ralf Fücks, dem früheren Bürgermeister von Bremen, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung und heute Leiter des Zentrums für Liberale Moderne sowie mit Claudia Major, der Forschungsgruppenleiterin des Bereichs Sicherheitspolitik der Stiftung für Wissenschaft und Politik.
Etwas Zuversicht zur aktuellen Lage, ein Erfolg hängt aber von westlicher Hilfe ab
Ralf Fücks ist von seinem jüngsten Ukrainebesuch zuversichtlicher zurückgekommen, „sowohl hinsichtlich der militärischen Situation, wo es im Westen vielfach eine völlig überzogene Erwartung an Geschwindigkeit und Durchschlagskraft der ukrainischen Gegenoffensive gibt. (..) Die Stimmung im Land ist eine Mischung aus Ernüchterung, auch Erschöpfung (..), trotzdem ist die Kampfbereitschaft und der Wille der Selbstbehauptung ungebrochen.“ „Es ging darum,“, so Claudia Major „im Hinterland das russische Militärpotential zu zerstören und sich systematisch langsam durch diese umfangreichen russischen Befestigungsanlagen durchzukämpfen. Das haben sie jetzt teilweise geschafft. (..) Wenn einmal diese Befestigungen durchbrochen sind, ist die Frage, ob die Ukrainer noch Reserven haben und kommen sie bis zum Asowschen Meer durch. (..) Für ihren weiteren Erfolg hängen sie von der westlichen Unterstützung ab.“
Es geht nicht um westliche Großzügigkeit oder Almosen, sondern um unsere ureigenen Interessen
Für Ralf Fücks geht es um „unsere ureigenen Interessen, das ist der Dreh- und Angelpunkt, der bei uns noch nicht richtig angekommen ist, dass nämlich die Ukraine für die europäische Sicherheit und für die Zukunft der europäischen Demokratie kämpft. (..) Der Ausgang dieses Krieges wird eine Weichenstellung sein für die weitere internationale Entwicklung, weit über die Ukraine hinaus. (..)
Wenn der Westen da versagt, dann kommt noch sehr viel mehr ins Rutschen als nur die Ukraine“. „Im Endeffekt“, so Claudia Major, „werden Grundsatzfragen verhandelt: Wie gehen Staaten miteinander um, und muss man sich an Regeln halten. (..) Eine Ukraine, die zu Teilen oder gänzlich russisch besetzt“ bleibe, schaffe für „Europa und Deutschland nur Nachteile. Es wäre eine instabile und deutliche gefährlichere Situation“.
Das größte Risiko ist, dass der Westen sein Ziel nicht definiert hat
Es gebe im Westen, so Ralf Fücks „keine Entscheidung bisher, wie dieser Krieg enden soll. Das ist die strategische Archillesferse (..), die Allianz hat nicht wirklich definiert, was unser politisches Ziel ist. Soll die Ukraine gewinnen oder setzten wir auf eine Erschöpfung beider Seiten, die dann in einen Waffenstillstand mündet, der möglicherweise dann zu Verhandlungen führt. (..) Diese Unentschiedenheit“ sei „das größte Risiko“. Dabei spiele „Russland ganz bewusst auf Zeit (..). Für den Kreml ist klar, dass dieser Krieg in verschiedener Hinsicht eine zentrale Bedeutung für die Zukunft von Russland hat. Er ist der Schlüssel für Putins Traum der Restauration des Imperiums. Ohne Ukraine ist Russland eine mittlere Kontinentalmacht. (..) Gleichzeitig bleibt das Ziel, die NATO entscheidend zu schwächen.(..) Die sehen sich in einem Systemkonflikt (..) Deshalb ist es auch ein Test auf die Handlungsfähigkeit der Demokratien“.
Was wäre, wenn Putin plötzlich offen für einen Waffenstillstand wäre?
Wie reagiert dann die Allianz? Major: „Das würde die westlichen Unterstützerstaaten vor eine enorme Zerreißprobe stellen. Ich kann mir die politischen Stimmen vorstellen, die das begrüssen würden. Russland habe seit 2014 „seine Position nicht verändert. Russland stellt immer noch die Existenzberechtigung der Ukraine in Frage und hat auch seine Kriegsziele nicht verändert. (..) Solange die Regierung, die Gesellschaft und der Staat zutiefst militarisiert sind, solange wird es mit einer solchen russischen Regierung keine Stabilität und keinen glaubwürdig belastbaren Frieden geben. Dann ist jeder Waffenstillstand lediglich eine Atempause. (..) Gebiete, die nach einem solchen Waffenstillstand unter russischer Herrschaft blieben, haben ja dann keinen Frieden, sondern sie sind einer systematischen russischen Terrorherrschaft ausgesetzt. (..) Die Wahl ist nicht Krieg-Frieden, sondern Krieg oder Vernichtung“. Und das wäre „ja nur ein Einfrieren des militärischen Konfliktes, aber nicht des politischen Konfliktes, der dahinter steht, nämlich die Frage der Freiheit, Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine. Diese politische Frage käme ja nach einem Waffenstillstand erst auf den Tisch“. Ebenso auch die Frage künftiger Grenzen. Russland könnte „die Lehre daraus ziehen, Krieg führen lohnt sich doch (..) und andere Staaten, die international das beobachten, könnten das genauso sehen.(..) Wenn wir in Europa jetzt anfangen, Grenzen zu diskutieren, ist das die Büchse der Pandorra schlechthin. Völkerrechtlich anerkannte Grenzen sind auch friedenspolitisch eine Errungenschaft und sie sind auch von der Sowjetunion (..) mehrfach anerkannt worden“. „Für die Ukraine“, so Fücks, „wäre ein solcher Waffenstillstand fatal. Das Land wäre weiterhin in einer permanenten militärischen Bedrohungssituation. Das würde ausländische Investoren abschrecken.(..) Die Ukraine wäre wirtschaftlich dramatisch geschwächt. Sie wäre gleichzeitig demoralisiert.“
Es droht generell ein langwieriger, sehr blutiger, sehr brutaler Konflikt
Für die Zukunft äußert Claudia Major ihre „grosse Sorge, dass die westliche Unterstützung langfristig abnimmt, entweder aufgrund der Wahlen in den USA, aufgrund von europäischen Wahlen (..) und dass die Ukraine nicht die Hilfe bekommt, die sie braucht. (..) Die Ukraine wird trotzdem weiter kämpfen. Es droht generell ein langwieriger, sehr blutiger, sehr brutaler Konflikt“. Auch Fücks befürchtet „dass der Westen nicht die politische Entschlossenheit und historische Weitsicht aufbringt, der Ukraine so lange und so stark beizustehen, dass sie diesen Krieg am Ende gewinnen kann“. Fatal sei, dass „die westlichen Demokratien nicht erkennen, was auf dem Spiel steht, weit über die Ukraine hinaus“. Trotzdem schliesst Major etwas optimistischer: „In den letzten 18 Monaten hat die Ukraine es geschafft, über die Hälfte der von Russland eroberten Gebiete zu befreien, weil sie eine enorm beeindruckende Kampfbereitschaft und einen enormen Mut gezeigt haben, weil die westlichen Länder (..) über sich hinausgewachsen sind.(..) Man kann das auch als positiven Anreiz sehen und sagen: Es ist möglich.“
Zuvor habe ich folgende 42 Debatten geführt, die online zu hören sind:
- Hat Sozialdemokratie Zukunft? – Mit Mattea Meyer,Co-Präsidentin der SP-Schweiz und Norbert Walter-Borjans, Co-Vorsitzender der SPD.
- Film, Kunst & Moral– Mit Martina Gedeck, deutsche Schauspielerin und Stefan Haupt, Schweizer Filmemacher
- Staat, Kultur & Cancel Culture – Mit Monika Grütters,Staatsministerin für Kultur und Medien der deutschen Bundesregierung und Adolf Muschg, Schweizer Schriftsteller
- Überleben Rechtsstaat und Demokratie,wenn Wahrheit und Vertrauen erodieren? – Mit Samir, Filmemacher und Sibylle Lichtensteiger, Leiterin des Stapferhauses Lenzburg.
- Verpasst die Schweiz die Chance ihrer Italianità?– Mit Marina Carobbio, Tessiner Ständerätin, und Marco Solari, Präsident des Filmfestivals Locarno
- Ist eine Mitte-Links-Allianz möglich?– Mit Daniel Jositsch, Zürcher Ständerat und Laura Zimmermann, bis vor kurzem Co-Präsidentin der Operation Libero
- Ist Gleichstellung ein Männerproblem?– Mit Kathrin Bertschy, Co-Präsidentin des Frauendachverbandes alliance F und Markus Theunert, Gründungspräsident von Männer.ch
- Wer ist schuld am Rechtspopulismus?– Mit Nationalrätin Nadine Masshardt und Roger de Weck, Autor von “Die Kraft der Demokratie – eine Antwort auf die autoritären Reaktionäre“ (Suhrkamp 2020)
- Sicherheitspolitik: Rüsten wir uns für den letzten Krieg oder gegen die Gefahren der Zukunft? – mit Nationalrätin Priska Seiler-Graf und Hans-Peter Bartels, der bis vor kurzem Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages und zuvor Bundestagsabgeordneter war.
- Überlebt die nationale Identität in der Migrationsgesellschaft?– mit dem Schriftsteller Lukas Bärfuss und der Migrationsforscherin Naika Foroutan.
- Ist die Schweiz noch reformfähig? –mit Monika Rühl, Economiesuisse und Peter Grünenfelder,Avenir Suisse.
- Lügt die Politik?– mit Jacqueline Fehr, Regierungsratspräsidentin des Kantons Zürich, und dem Philisophieprofessor Georg Kohler,
- Soll uns das Museum erklären, wer wir sind? – Denise Tonella, Direktorin des Schweizerischen Nationalmuseums und Raphael Gross, Präsident des Deutschen Historischen Museums.
- „Brauchen wir eine Brandmauer zwischen Antisemitismus und Israelkritik?“ – mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, der früheren deutschen Justizministerin, und Abraham Lehrer, dem Vizepräsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland.
- „Sind Gerichtsklagen ein zweckmässiges Kampfmittel gegen den Klimawandel?“– mit der ehemaligen Richterin am Europäischen Menschenrechtsgerichtshof Prof. Helen Keller & Prof. Peter Hettich (Uni St.Gallen).
- „Kann Emmanuel Macron nach seinem Wahlsieg das Tandem Paris-Berlin zum Motor der europäischen Erneuerung machen?“– mit Michaela Wiegel, langjährige FAZ-Korrespondentin in Paris, und dem schweizerischen Publizisten Joseph de Weck.
- „Putin und die Rückkehr der Einflusssphären in der Geopolitik“ – mit Prof. Herfried Münkler und Daniela Schwarzer, der Exekutiv-Direktorin der Open Society Foundations in Berlin
- „Wie prägt die familiengeschichtliche Erinnerung nationale Politik?“ – mit der deutschen Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmannund dem Schweizer Historiker Thomas Maissen.
- „Deutschschweiz-Baden-Elsass-Liechtenstein-Vorarlberg: Können alemannische Gemeinsamkeiten Landesgrenzen überwinden?“ – mitRita Schwarzelühr-Sutter und Thomas Pfisterer
- „Ukrainekrieg: Wie sich die Gesellschaften der früheren „Brudervölker“ entfremdet haben“ – mit Ina Ruck, Leiterin ARD-Büros Moskau und Alexander Hug, langjähriger Leiter der OSZE-Mission in der Ukraine.
- „Documenta Kassel, Biennale Venedig, Art Basel – Unterwirft sich die Kunst dem politisch-moralischen Zeitgeist?“ – mit der Schweizer Kunsthistorikerin JacquelineBurckhardt und dem Kurator und Ausstellungsmacher Raphael Gygax.
- „Ist die Ostpolitik der SPD gescheitert?“ – mit Rolf Mützenich, dem SPD-Fraktionsvorsitzenden im Deutschen Bundestag und der OsteuropakorrespondentinSabine Adler.
- „Wie erklären sich die Sympathien islamischer Länder für Putins Angriffskrieg?“– mit Isabelle Werenfels und Reinhard Schulze
- „Führt der Ukrainekrieg zu einer neuen europäischen Sicherheitsarchitektur?“ –mit Jana Puglierin, European Council of Foreign Relations und Roderich Kiesewetter, Mitglied des Bundestagses und früherer Generalstabsoberst.
- „Opfern wir die Menschenrechte wirtschaftlichen und politischen Interessen?“– mit der Bundestagsabgeordneten Derya Türk-Nachbaur und Wenzel Michalski, dem Deutschlanddirektor von Human Rights Watch.
- „Hat die schweizerischer Neutralität Zukunft?“ – mit der Nationalrätin Sarah Wyss und dem ehem. Diplomaten Paul Widmer
- „Können Gesellschaften aus der Geschichte lernen?“ – mit der Schriftstellerin Eva Menasse und dem Dichter Durs Grünbein
- „Die verkannte Bedeutung des Dualen Bildungssystems für den wirtschaftlichen Erfolg“– mit Ursula Renold, für Bildungssysteme ETH und Rudolf Strahm, ehem. Nationalrat.
- „Auschwitz liegt auch in der Schweiz“ – mit Jacques Picard, Präsident der Stiftung jüdische Zeitgeschichte der ETH-Zürich und Dina Wyler, ehem. Leiterin der Stiftung gegen Antisemitismus und Rassismus
- “Was ist das konservative Projekt für ein modernes Deutschland?” – Mit dem CDU-Kanzlerkandidaten von 2021 Armin Laschet und Frau Prof. Ursula Münch, Direktorin der Akademie für politische Bildung in Tutzing
- „Kann nach Jahrzehnten von Krieg und Gewalt im Irak und in Algerien ein Weg zu innerer Stabilität und nationaler Verständigung gefunden werden.?“ – Mit der Nordafrikaexpertin Isabelle Werenfels und dem Orientalisten Daniel Gerlach.
- “Frau, Leben, Freiheit !” – Führt die iranische Protestbewegung in die politische Blockade oder steht das Land in einem revolutionären Umbruch? – mit der iranischen Künstlerin Parastou Forouhar und dem deutsch-iranischen Politologen Ali Fathollah-Nejad
- „Wird Europa bis 2050 klimaneutral? – An welchen Problemen kann das scheitern?“ – mit dem früheren EU-Energie-Kommissar Günther Oettinger und der Energie- und Klimafachfrau Susanne Nies.
- „Der Sieg des Sultans – Wohin steuert die Türkei ?“ – mit dem ZEIT-Korrespondenten Michael Thumannund der Leiterin des Zentrums für angewandte Türkeistudien der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, Hürcan Alsi Aksoy.
- „Zerstört der zunehmende Hass gegen Amts- und Mandatspersonen die Demokratie?“ – mit Sawsan Chebli, ehemalige Staatssekretärin im Berliner Senat, und Jörg Müller, Chef des Verfassungsschutzes von Brandenburg.
- „Wo steht Europa in der Konfrontation zwischen den USA und China?“ – MitFranziska Brantner, Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und Alexander Graf Lambsdorff, dem künftigen Deutschen Botschafter in Moskau.
- Bedroht der Kampf um Gleichberechtigung die Meinungsfreiheit? – Mit der deutschen Afro-Amerikanerin Chenoa North-Harder und René Pfister, USA-Korrespondenten des SPIEGELs
Die Debatte zu Dritt wird in Zusammenarbeit mit www.journal21.ch publiziert. «Journal 21» ist eine Internetzeitung, die von erfahrenen Journalisten gemacht wird, die für die grossen Medienhäuser in der Schweiz gearbeitet haben.
Wenn es Euch gefällt, bin ich für eine Weiterempfehlung dankbar – auch für Vorschläge zu künftigen Debatten.
Tim Guldimann
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